Bei Menschen mit seltenen Krankheiten und dabei speziell bei Kindern dauert es oft lange, bis eine Diagnose gestellt werden kann. Zahlreiche, oft syndromale Erkrankungen sind von einer Wachstumsstörung im Sinne meist des Kleinwuchses (selten auch des Grosswuchses) begleitet, was oft schon in der Familie oder der Schule auffällt. Hier können Eltern frühzeitig mithelfen, bei auffälligem Wachstum des Kindes die weitere Abklärung zu beschleunigen. So kann eine behandlungsbedürftige Situation rechtzeitig erkannt und, wenn nötig, eine spezifische Therapie begonnen werden.
Dr. med. Beatrice Kuhlmann
FMH Kinder- und Jugendmedizin spez Päd. Endokrinologie/Diabetes
ENDONET Basel
Foto: Privat
Eltern sind die besten Beobachter:innen ihrer Kinder und werden oft schon frühzeitig aufmerksam, wenn die Entwicklung, z. B. das Wachstum, anders verläuft als bei anderen Kindern. Tauchen diesbezüglich Fragen auf, ist die Kinderärztin oder der Kinderarzt die erste Anlaufstelle zur Beurteilung und Besprechung. Kinder werden hier im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen regelmässig gemessen und gewogen und die Daten in sogenannten Wachstumskurven übertragen. Damit sieht man im Laufe der Zeit gut, ob sich Veränderungen ausserhalb des üblichen Wachstumsmusters der Familie ergeben.
Das Wachstum in den ersten beiden Jahren im Leben hängt vor allem von den Massen bei der Geburt und der Ernährung/Verdauung ab. Erst später zeigen sich hormonelle Probleme mit Einfluss auf das Wachstum, wie z. B. ein Wachstumshormonmangel oder eine Schilddrüsenunterfunktion. Bestehen zusätzlich zum Kleinwuchs noch andere Auffälligkeiten, dann haben Kinderärztinnen und -ärzte beziehungsweise Spezialärztinnen und -ärzte für Hormonerkrankungen oft noch andere Ursachen im Hinterkopf.
Es gibt zahlreiche Syndrome (z. B. Turner Syndrom, Noonan Syndrom etc.), wo neben dem Kleinwuchs auch noch gewisse körperliche oder Entwicklungsauffälligkeiten bestehen, die zur Diagnose führen können. Bei einigen dieser Syndrome kann mit spezifischer Therapie gerade das Längenwachstum und die normale körperliche Entwicklung unterstützt werden, wenngleich diese meist angeborenen genetischen Leiden nicht «geheilt» werden können.
Für das Erreichen einer möglichst normalen Endgrösse im Bereich der sogenannten «Familiären Zielgrösse» ist es sehr wichtig, dass eine allfällige Therapie frühzeitig begonnen wird. Diese Behandlungen sind dann oft über Jahre, also bis zum Ende der Wachstumsphase, nötig. Kinder, die jahrelang eine solche Behandlung regelmässig durchführen müssen, gewöhnen sich meist gut daran. Es gehört zu ihrem «normalen» Leben einfach dazu. Im Rahmen der regelmässigen Therapiekontrollen bei der Ärztin oder dem Arzt gehört es natürlich auch dazu, allmählich und der Altersstufe entsprechend immer wieder zu erklären, wieso eine solche Behandlung sinnvoll und wichtig ist und wie der weitere Verlauf bis zur Adoleszenz ablaufen wird. Ziel dabei ist es immer, die betroffenen Kinder möglichst normal, also «gleich wie die anderen», aufwachsen zu lassen und sie an den Aktivitäten in der Schule und Freizeit teilnehmen zu lassen.