Ilse Schretter lebt mit der seltenen Erkrankung Morbus Gaucher.
Wie sich ihr Leben durch eine Therapie verändert hat und was sie anderen Patient:innen mit Morbus Gaucher mitgeben möchte, lesen Sie im Interview.
Ilse Schretter
Obmann- Stellvertreterin Österreichische Gesellschaft für Gauchererkrankungen
Wie lange hat es gedauert, bis bei Ihnen die richtige Diagnose gestellt wurde?
Ich bin ein sehr seltener Fall, weil ich bereits bei der Geburt mit Morbus Gaucher diagnostiziert wurde. Ich kam mit einer vergrösserten Milz auf die Welt und hatte bereits als Baby Nasenbluten. Und da auch mein um acht Jahre älterer Bruder zu diesem Zeitpunkt schon die Diagnose Morbus Gaucher erhalten hatte, war bei meinen Symptomen sofort klar, dass ich ebenso an der seltenen Speichererkrankung leide. Bei Morbus Gaucher besteht im Körper ein Enzymmangel. Der Körper kann gewisse Stoffe nicht abbauen und speichert diese in den Organen.
Bei Ihnen war zwar von Geburt an klar, dass
Sie an Morbus Gaucher leiden, aber haben Sie damals auch gleich eine Therapie erhalten?
Ich wurde 1948 geboren. Damals gab es noch nicht jene Enzymersatztherapie, die heute Standard ist. Wir wussten zwar, was es bedeutet, an Morbus Gaucher zu leiden, nur konnte man nichts dagegen tun. Mein Bruder hatte zum Beispiel keine Probleme, obwohl er die gleichen Gene wie ich hat. Bei mir hat sich bereits im Mutterleib dieser Enzymmangel stark auf die Milz ausgewirkt. Eine Therapie habe ich erst mit meinem 40. Lebensjahr erhalten.
Wie hat sich Morbus Gaucher bei Ihnen geäussert bzw. welche Beschwerden hatten Sie?
Ich war oft monatelang im Krankenhaus. Ich hatte eine stark vergrösserte Milz und auch die Leber und das Knochenmark waren betroffen. Meine gesamte Schulzeit hindurch hatte ich häufig sehr starke Schmerzen, die unterschiedlich lange angehalten haben – von zwei Stunden bis hin zu mehreren Wochen. Ausserdem litt ich während meiner gesamten Kindheit an häufigem und schwerem Nasenbluten. Dieses dauerte immer mindestens eine Stunde an, was im Alltag sehr belastend für mich war. Als ich 16 Jahre alt war, wurde mir schliesslich die Milz entnommen. Diese hat zum Zeitpunkt der Entnahme sechs Kilogramm gewogen. Danach ist es mir zehn bis fünfzehn Jahre deutlich besser gegangen – auch das Nasenbluten hat nach der Operation aufgehört. Trotz Knochenschmerzen ging ich immer normal arbeiten und bekam auch zwei Kinder.
Wie geht es Ihnen heute mit Morbus Gaucher?
Ich bin wirklich glücklich, dass ich eine Therapie erhalten kann. Ich bekomme meine Enzymersatztherapie alle 14 Tage von meinem Hausarzt verabreicht und bin sehr gut eingestellt. Zweimal im Jahr wird die Dosis von einem Spezialisten kontrolliert. Hin und wieder habe ich noch Knochenschmerzen, aber grundsätzlich sind die Schmerzen zu 90 % weg. Ich bin ja nicht mehr die Jüngste und schon über 70 Jahre alt. Aber ich bin glücklich – auch mein Bruder übrigens. Er ist schon über 80 Jahre alt, und was Morbus Gaucher betrifft, geht es uns beiden wirklich gut.
Inwiefern beeinflusst Morbus Gaucher Ihren Alltag?
Ich bin mit dieser Erkrankung geboren. Als Kind habe ich es einfach so hingenommen, dass ich eben immer wieder krank war. Ich kenne nichts anderes. Über die Jahre hat sich das natürlich verändert. Heute kann ich dank der Therapie das Leben eines gesunden Menschen führen und zum Beispiel wandern gehen.
Was möchten Sie neu-diagnostizierten Morbus-Gaucher-Patient:innen mit auf den Weg geben?
Seien Sie glücklich! Wir leiden zwar an einer sehr seltenen Erkrankung, aber uns sieht man Morbus Gaucher nicht an. Wir sehen ja alle ganz normal aus! Wenn man sich schon eine seltene Erkrankung aussucht, dann wenigstens Morbus Gaucher. Denn uns kann man glücklicherweise zu 100 % helfen!
Morbus Gaucher
Morbus Gaucher ist eine erbliche Stoffwechselstörung und zählt zur Gruppe der Speicherkrankheiten. Bei den Betroffenen liegt ein genetisch bedingter Defekt des Enzyms Glukozerebrosidase vor.